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Von neonazistischen „Mitläufern“ und „losen Strukturen“

Artikelfeature von hiergeblieben.de als Antwort auf die Einschätzung des Staatsschutz Bielefeld zur Rechten Szene vom 15.12.2011 (
„Nicht nachlassen gegen Rechts“ / Polizeipräsident informiert über Nazi-Szene )

Ostwestfalen-Lippe / Bielefeld:
Am 14. Dezember 2011 erhöhte der Polizeiliche Staatsschutz für Ostwestfalen-Lippe seine bisherige Einschätzung der Anzahl „Rechtsextremer“ im Regierungsbezirk Detmold um 30 auf etwa 230 Personen. Darüber berichtet heute, am 15. Dezember 2011, das Westfalen-Blatt.

Neonazistische „Mitläufer“?
„150 sind Mitläufer, 50 sind aktiv und 30 zählen zu den äußerst aktiven, auch gewaltbereiten Szene“, so Polizeipräsident Erwin Südfeld, der auch die Existenz von „Freien Kameradschaften“ bestritt und allenfalls „lose Strukturen“ erkennen will. Weiterhin sei es schwer, mit den neonazistischen Aktivitäten im Internet Schritt zu halten.

Keine Verbindung in den Landkreis Schaumburg?
Außerdem seien mehr als zehn Beamte des Staatsschutzes an den Ermittlungen beteiligt gewesen, um Querverbindungen der Zwickauer Terrorzelle nach Ostwestfalen-Lippe zu prüfen. Bislang seien laut Südfeld jedoch keine Kontakte aufgetaucht.

Die Realität sieht anders aus
Regionale antifaschistische Initiativen gehen nach ihren Recherchen übereinstimmend von über 300 militanten Neonazis in OWL mit steigender Tendenz aus; in Städten und im ländlichen Raum existiert ein verfestigtes Netzwerk von „Kameradschaften“, welche die Straßenpolitik prägen und über eine politisierte Lebenswelt junge Menschen an den organisierten Neonazismus heranführen. Die sich den „Autonomen Nationalisten“ zurechenden „Kameradschaften“ sind wiederum vernetzt – bis in das nördliche Niedersachsen und in das Ruhrgebiet.

Keinen wirklichen Einblick in die Szene
Wer im Zusammenhang mit diesen Organisationsstrukturen von „Mitläufern“ spricht und bei der per se gewalttätigen neonazistischen Ideologie von einer „auch gewaltbereiten Szene“ schwadroniert, hat keinen wirklichen Einblick in die braune Lebenswelt in OWL oder verharmlost aus politischen Gründen ihren Einfluss und ihre Gefährlichkeit. In Bielefeld trifft erfahrungsgemäß beides zu.

Keine Zeit zu surfen?
Nur als außerordentlich peinlich ist es zu bezeichnen, es sei schwer die überschaubaren regionalen neonazistischen Internet-Seiten im Blick zu behalten.

Schon von gehört? – „Nationale Offensive Schaumburg“
Und: wenn mehr als 10 Beamte nicht in der Lage sind, polizei- und gerichtsbekannte Kontakte des am 13. November 2011 inhaftierten Holger Gerlach (1) aus Lauenau im Landkreis Schaumburg in das ostwestfälische Minden aufzuspüren, ist die Versuchung groß, den reaktionären „Bund der Steuerzahler“ auf die Bielefelder Behörde aufmerksam zu machen. Und in diesem Zusammenhang beispielsweise auch einmal auf den Großeinsatz bei einer kriminalisierenden Observation der „Abteilung links“ bei einer Demonstration für das Bleiberecht von Flüchtlingen in Bielefeld, oder dem „Übersehen“ eines Hitlergrußes auf einer Kundgebung in Detmold … usw.

Verbotene Vereine sind weiterhin tätig
Übrigens, wer es noch nicht weiß: Erkenntnisse über die ungeniert aktiven Nachfolgestrukturen der verbotenen Vereine „Collegium Humanum“ und „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) liegen in Bielefeld auch nicht vor. Aber dies nur am Rande.

Es bleibt bei der alten Weisheit: Der Feind steht links und auf dem rechten Auge sind wir blind. Es ist an der Zeit, der organisierten behördlichen Verharmlosung aus Bielefeld deutlicher als bisher zu widersprechen und eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit über die neonazistischen Strukturen im Regierungsbezirk Detmold voranzutreiben.

(1) Bad Nenndorf ist bunt – Bündnis gegen Rechtsextremismus, 10.12.2011: Fragen an Innenminister Uwe Schünemann und Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel aus aktuellem Anlass

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Vom Bombenbauer und jugendlichen Suchbewegungen

Bebilderter Vortrag von Jan Raabe und Dr. Karsten Wilke: Vom Bombenbauer und jugendlichen Suchbewegungen – Einblicke in die neonazistische Szene in Detmold und Ostwestfalen-Lippe

Montag, 23. Januar 2012 um 19.30 Uhr

Veranstaltungsort:
Stadthalle Detmold
Kleiner Festsaal
Schlossplatz 7
32756 Detmold

Mindestens 10 Menschen hat die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ermordet. Diese schockierende Erkenntnis weckte Ängste und eine große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit: Kann so etwas auch in Ostwestfalen-Lippe passieren? Gibt es auch hier Neonazis und feste Strukturen?

„Die aktuelle Entwicklung hat mich nicht beunruhigt, weil ich ihr die hiesige Szene nicht zurechne“, so Andreas Schramm, Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes für den Regierungsbezirk Detmold, auf die Frage, ob die Spuren der NSU auch nach OWL führen könnten.

Ist diese Einschätzung aber richtig? In OWL und auch in Detmold gibt es alte Kader, die seit über 20 Jahren in der Szene aktiv sind und auch schon mit Sprengstoff hantiert haben, es gibt neonazistische Rock-Bands und Rapper, es gibt in den Städten und Dörfern ein Netzwerk von „Kameradschaften“, welche die Straßenpolitik prägen. Junge Menschen werden über eine politisierte Lebenswelt an den organisierten Neonazismus herangeführt. Gerade in Detmold ist die Verfestigung einer solchen Szene mit weit über 30 Jugendlichen und Heranwachsenden zu beobachten.

Die Referenten Jan Raabe, Dipl. Sozialpädagoge und Autor sowie Dr. Karsten Wilke von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold“ werden in dem Vortrag einen Überblick mit Beispielen, detaillierte Informationen und Analysen geben. Nach dem einstündigen Referat besteht die Möglichkeit zu Diskussion und Nachfragen.

Zu der Veranstaltung lädt der Antifaschistische Arbeitskreis Detmold ein: www.antifa-detmold.de

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